Barrierefreies Game Design

Spieleproduktion, Gesellschaft

Vorwort

Spieler*innen von Videospielen suchen die kognitive sowie motorische Herausforderung. Aber was für den Großteil der Gamer ein “Kinderspiel“ und selbstverständlicher Teil ihres soziokulturellen Lebens ist, kann für einige andere eine nahezu unüberwindbare Hürde darstellen, vor allem wenn schwerwiegende motorische und körperliche Einschränkungen den Alltag bestimmen. Dazu wird im Folgenden zuerst das allgemeine Interaktionsmodell von Videospielen beschrieben, an welchem sich die Hindernisse für Menschen mit verschiedenen körperlichen sowie seelischen Einschränkungen festmachen lassen.

Anschließend werden speziell Hilfsmittel beschrieben, mit deren Hilfe motorisch behinderte Menschen die Barrieren beim Spielen überwinden können. Neben diesen Hilfsmitteln für die Steuerung von Videospielen gibt es jedoch auch Umsetzungen in einigen Games selbst.

Hierzu existieren 3 Lösungsstrategien, welche sich in einigen Spielen wiederfinden, die in diesem Artikel vorgestellt werden sollen. Es zeigt sich, dass die meisten Barrieren für eingeschränkte Spieler schnell und günstig überwunden werden können, dass barrierefreie “Mainstream” Spiele Mangelware sind und dass es an rechtlichen Konventionen sowie an einheitlichen Guidelines für das barrierefreie Game Design fehlt.

Einleitung

Mehr als 34 Millionen Nutzer*innen in Deutschland spielen im Jahr 2020 Videospiele, rund 36% davon spielen regelmäßig. Es lässt sich also nicht mehr leugnen, dass dieses Medium einen sehr großen Teil der modernen Popkultur ausmacht. Für viele Gamer ist es selbstverständlich, nach Feierabend die Konsole einzuschalten, um in virtuellen Welten den Stress des Alltags zu vergessen. Aber nicht jeder kann einfach so spielen. Circa 20,5% der Spieler*innen von Videospielen weisen eine Behinderung vor. Eine Teilhabe an der Games Kultur ist für solche Menschen besonders wichtig, da sich für sie die Teilnahme am öffentlichen Leben oft als schwierig gestaltet. Beispielsweise scheitert es meist für einen Rollstuhlfahrer an der Treppe vor dem Theater. Menschen, die an chronischer Erschöpfung leiden haben nicht die Kraft, ihre Wohnung für einen Museumsbesuch zu verlassen. Doch auch der Zugang zu Computerspielen ist nicht immer barrierefrei gestaltet. Nutzer*innen werden in den Spielen immer wieder vor neue Aufgaben gestellt. Doch was ist, wenn die Aufgaben aufgrund motorischer Beeinträchtigung in Bezug auf die Steuerung nicht erfüllt werden können? Dieser Artikel soll dieser Fragestellung nachgehen und sich mit dem Thema Inklusion in der Gaming-Community auseinandersetzen, um auf Spieler mit Behinderung aufmerksam zu machen.

Was ist ein barrierefreies Game?

Ein Videospiel gilt als barrierefrei, wenn es keine vermeidbaren Barrieren enthält und somit von möglichst vielen Spieler*innen, mit und ohne Behinderung, gespielt werden kann. Aufgrund der Komplexität eines Videospiels und dessen Anforderungen an den Spieler lässt sich eine vollständige Barrierefreiheit wohl kaum realisieren.

Interaktionsmodell von Videospielen

Durch das Aufstellen eines generischen Interaktionsmodells von Videospielen wird es möglich zu bestimmen, welchen Barrieren ein Spieler beim Spielen von Games ausgesetzt ist. Dieses Modell ist in die folgenden drei Schritte unterteilt:

1. Stimulation: Beim Spielen eines Videospiels ist der Spieler einer Vielzahl an Reizen ausgesetzt. Diese Reize lassen sich in primäre Stimuli und sekundäre Stimuli unterteilen. Die sogenannten Primär Stimuli müssen zwingend für den Spieler wahrnehmbar sein, um das Spiel spielen zu können, wie beispielsweise visuelle Reize in „First-Person-Shootern“. Sekundär Stimuli hingegen ergänzen die Primäre Stimuli lediglich und tragen zu einem immersiven Spielerlebnis bei. Dazu zählen meist akustische Reize, wie die Hintergrundmusik.

2. Reaktion: Die kognitive Fähigkeit des Spielers erlaubt es, die beste Reaktion im Spiel aus der Menge der verfügbaren Spielaktionen zu bestimmen und umzusetzen. Ein Spieler muss sich beispielsweise in einem 2D-Jump’n’Run entscheiden, ob er „springen“ drückt oder nicht, wenn ein Abgrund sich nähert.

3. Eingabe: Die gewählte Aktion muss durch ein Eingabegerät physisch ausgelöst werden. Eingabegeräte sind entweder diskret oder analog. Ein diskretes Eingabegerät, wie beispielsweise eine Tastatur, misst die Anzahl der diskreten Eingaben und ist mit wenigen Eingängen relativ einfach zu steuern. Analoge Eingabegeräte hingegen messen kontinuierliche Eingaben und setzen eine präzise körperliche Motorik voraus. Beispiele hierfür sind Mäuse oder “Thumbsticks“ von Controllern.

Die oben beschriebenen nachfolgenden Schritte hängen voneinander ab und werden so lange wiederholt, bis der Spieler gewinnt, verliert oder das Spiel beendet.

Arten von Einschränkungen

Laut Weltgesundheitsorganisation ist das Wort Behinderung ein Oberbegriff für die verschiedensten Schädigungen, welche sich in Form von funktionalen Beeinträchtigungen des Körpers sowie eingeschränkter Teilnahmefähigkeit an der Gesellschaft äußern.

Die Weltgesundheitsorganisation erhob im Jahre 2010, auf der Grundlage dieser Definition, eine Studie. Das Ergebnis zeigte, dass zwischen 10 und 15% der Weltbevölkerung (Ungefähr 650 Millionen bis 800 Millionen Menschen) mit einer Behinderung leben. Viele dieser Einschränkungen beeinflussen den Alltag der Betroffenen in unterschiedlicher Hinsicht und können die Lebensqualität stark mindern. Ein Beispiel hierfür sind die Barrieren für eingeschränkte Menschen beim Spielen von Videospielen.

Auf Grundlage der Daten der US-Volkszählung aus dem Jahre 2002 lässt sich feststellen, dass schätzungsweise 2% der Amerikaner aufgrund von körperlichen sowie kognitiven Einschränkungen keine Computerspiele spielen können. Es wird erwartet, dass diese Zahl in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen wird, da immer mehr Menschen mit Spielen aufwachsen.

Im Folgenden werden vier Gruppen von Behinderungen vorgestellt und die Barrieren beim Spielen auf das Interaktionsmodell bezogen beschrieben.

Sehbehinderungen

Weltweit leiden rund 1 Milliarde Menschen an einer eingeschränkten Sehkraft, in Form von Weit- bzw. Kurzsichtigkeit, Blindheit oder Farbsehschwäche. Sehbehinderten ist es nicht oder nur eingeschränkt möglich, Primär Stimuli in Form von visuellen Reizen in Videospielen wahrzunehmen. Für diese Menschen ist es beispielsweise sehr schwer bis hin zu unmöglich, Untertitel in Zwischensequenzen von Videospielen zu folgen, den eingeblendeten Text des nächsten Missionszieles zu lesen oder im Multiplayer die Teamfarben zu identifizieren. Ein Spiel wird dadurch für die meisten Betroffenen nicht abschließbar.

Auditive Behinderungen

Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind circa 466 Millionen Menschen in ihrem Hörvermögen verstärkt eingeschränkt. Für Betroffene ist es schwierig oder unmöglich, Sekundär Stimuli aufzunehmen. Dies hat ein massivst eingeschränktes Spielerlebnis zur Folge. Zudem kann Schritt 2 und 3 des Interaktionsmodells nicht erreicht werden.

In vielen „First-Person-Shootern“ hört man beispielsweise die Schritte des sich von hinten anschleichenden Gegners und in der “Metal Gear“ Videospielreihe ertönt ein akustisches Warnsignal, sobald der Spieler von Gegnern entdeckt wird. Hörgeschädigte können diese Audio-Hinweise nicht nutzen und als direkte Konsequenz erleidet der Spielcharakter Schaden oder wird getötet.

Des Weiteren ist es den Betroffenen in einigen Spielen unmöglich, der "Storyline" zu folgen, wenn es an Untertiteln in Zwischensequenzen mit Sprachausgabe mangelt.

Motorische Behinderungen

Eine eingeschränkte Motorik kann durch die verschiedensten Ursachen hervorgerufen werden. Sie kann durch eine Krankheit, genetische Mutationen oder das zunehmende Alter verursacht werden. In der Folge ist es für die meisten Betroffenen nicht möglich, klassische Eingabegeräte wie einen Controller zu nutzen oder mehrere Knöpfe gleichzeitig zu bedienen. So wird der letzte Schritt des Interaktionsmodells zur unüberwindbaren Hürde. Damit ist beispielsweise eine schnelle Reaktion bei den sogenannten "Quick-Time-Events" unmöglich oder ein schnelles Klicken mit einer Maus. In der Konsequenz können die Story und das Videospiel nicht fortgesetzt bzw. beendet werden.

Kognitive Behinderungen

Diese Gruppe umfasst eine Vielzahl an Krankheiten und Behinderungen, wie Lernbehinderungen, Gedächtnisverlust, Legasthenie oder autistische Spektrums-Störungen.

Die kognitiven Voraussetzungen, um die beste Entscheidung innerhalb des Spiels zu treffen, sind meistens nicht gegeben. Zudem ist es für solche Personen oft schwer, lange Texte zu lesen und zu verstehen oder einer komplexen Handlung zu folgen. Viele Spiele werden dadurch für die Betroffenen undurchdringlich.

Hilfsmittel

Um die im vorangegangenen Abschnitt angesprochenen Schwierigkeiten von behinderten Menschen beim Spielen von Videospielen zu überwinden, sind neben Einstellungen in den Spielen selbst Hilfsmittel in Form von Soft- sowie Hardware notwendig. In den sich anschließenden Unterabschnitten werden jedoch primär Ausstattungen für Menschen mit einer motorischen Einschränkung vorgestellt. Macht man sich diese bestehenden Hilfsmittel bewusst, wird es möglich, Videospiele mit geringen Anpassungen am Spiel selbst für körperlich eingeschränkte Personen zugänglich zu machen.

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Software

Bildschirmtastaturen

Mobilitätseingeschränkte Menschen verwenden statt einer handelsüblichen Tastatur meist sogenannte "Bildschirmtastaturen". Diese werden auf dem Computer-Monitor in Form eines Fensters eingeblendet. Erfolgt ein Klick auf eine der Tasten, durch Eingabegeräte wie eine Computer-Maus oder eine Augensteuerung, wird der entsprechende Buchstabe ausgelöst. Zudem integrieren sie weitere nützliche Funktionen, wie beispielsweise den "Autoclick". Hierbei muss der Benutzer mit dem Mauszeiger lediglich über einer Taste schweben, und nach einer kurzen Verweilzeit wird die gewünschte Taste automatisch ausgelöst. Möglich wäre der Einsatz solcher Bildschirmtastaturen beispielsweise in Text Chats von Multiplayer Spielen oder zur einzelnen Tasteneingabe in Spielen, welche keine schnelle Reaktionszeit des Spielers voraussetzen.

Spracherkennung

Diese Art von Hilfsprogramm ist mittlerweile auf jedem modernen Smartphone zu finden. Mobilitätseingeschränkten Personen wird es damit ermöglicht, Computer lediglich mit ihrer Stimme zu bedienen, anstatt dies mechanisch tun zu müssen. Die Spracherkennung kann zur Texteingabe, zum Öffnen von Programmen oder der Positionierung des Mauszeigers eingesetzt werden. Eine der wohl bekanntesten und am präzisesten arbeitenden Spracherkennungssoftwares ist “Dragon NaturallySpeaking“ aus dem Hause Nuance. Diese ist jedoch im Vergleich zu den unzähligen kostenlosen Alternativen recht teuer und nicht für jeden erschwinglich. Dennoch stellt die Integration von Spracherkennung in Videospielen, um beispielsweise den Spielcharakter zu navigieren, eine einfache sowie günstige Möglichkeit dar, Games für motorisch behinderte Menschen zugänglicher zu machen.

Alternative Zeigevorrichtungen

Mit diesen Geräten wird es möglich, Computer mit anderen Mitteln als einem standardisierten Zeigegerät, wie beispielsweise einer Maus, zu bedienen. Diese Zeigevorrichtungen können Augen, Steuerungssysteme oder aber auch sogenannte Mund-Mäuse darstellen.

Eine Augensteuerung oder auch Eyetracker genannt, stellt, auf eine einfache Ebene heruntergebrochen, eine Kamera dar, welche die Bewegung der Augen aufzeichnet und eine Software, die diese Kamera Bilder verarbeitet und anschließend interpretiert. Die Augenbewegung des Benutzers wird somit in die Bewegung des Mauszeigers übersetzt. Ein Mausklick wird dabei häufig über ein aktives Blinzeln ausgelöst. Mund-Mäuse hingegen werden mit den Lippen verwendet und können in jede beliebige Richtung gelenkt werden. Diese Bewegung kann unter anderem in die Bewegung des Mauszeigers übersetzt werden, eignet sich aber auch optimal als Joystick für Computerspiele.

Die beiden beschriebenen Systeme können in Verbindung mit den bereits weiter oben angesprochenen Bildschirmtastaturen genutzt werden. Somit lässt sich ein Computer vollständig ohne händisch zu aktivierende Eingabegeräte nutzen.

Hardware

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Software-Ansätzen, welche größtenteils lediglich für die Steuerung auf der Benutzeroberfläche eines Computers verwendet werden können, existieren auf dem Markt schon die verschiedensten Geräte, die zur erleichterten Steuerung von Spielen eingesetzt werden können. Menschen mit einer stark ausgeprägten motorischen Einschränkung empfinden es oft als sehr schwierig oder aber auch unmöglich, die klassischen Spiele Eingabegeräte wie den Controller zu verwenden. Diese Menschen müssen auf alternative Hardware setzen, welche individuell auf ihre Fähigkeiten abgestimmt werden kann. Im Folgenden werden einige dieser Geräte und ihre Funktionsweisen näher betrachtet.

Programmierbare Eingabegeräte

Programmierbare Eingabegeräte wurden nicht speziell als Hilfsmittel für körperlich eingeschränkte Menschen entwickelt, sondern entspringen dem Markt für professionelles Gaming-Zubehör. Jedoch eignen sich viele dieser Produkte auch für Menschen mit einem Handicap und sind eine, im Vergleich zu teuren Hilfsmitteln wie Augen Steuerungssystemen, relativ günstige Option, um Videospiele zugänglicher zu machen. Es sollen nun einige dieser “Gadgets“ aufgezeigt werden.

Gaming-Maus mit Tastenfeld

Diese speziellen Mäuse besitzen bis zu 19 seitlich angebrachte Tasten, welche sich beliebig programmieren lassen. Spieler mit und ohne Behinderung können somit die Gaming-Maus ganz individuell nach ihren Bedürfnissen anpassen.

Scuf-Controller

Bei “Scuf-Controllern” handelt es sich um optisch anpassbare und mit programmierbaren Tasten ausgestattete Controller. So lassen sich beispielsweise die Analog-Sticks auswechseln, der Widerstand der Trigger-Tasten justieren und die bis zu vier abnehmbaren Schaltwippen, die sogenannten “Paddles“ auf der Rückseite, lassen sich beliebig mit Funktionen belegen.

Externe Steuergeräte

Zu den externen Steuergeräten gehören die bereits angesprochenen Augen Steuerungssysteme sowie die Mund-Maus. Des Weiteren existieren noch beispielsweise Druckknöpfe, Micro Switches und Fußpedale. Druckknöpfe sind ideal für Gamer, denen es schwerfällt, einzelne kleine Tasten zu treffen. Bei den angesprochenen Micro-Switches handelt es sich um Schalter, die durch einen ultraleichten Aktivierungsdruck von 10g ausgelöst werden können. Diese Art von Schalter ist für Menschen gedacht, die geringe Kraft beispielsweise in den Fingern besitzen.

Alle diese Hilfsmittel können an beliebigen Stellen angebracht werden, wie hinter den Schultern oder neben dem Kopf. Sie müssen lediglich an ein externes Steuermodul angeschlossen werden, welches beispielsweise mit dem Computer verbunden wird. Jedoch ersetzen die Steuergeräte jeweils nur eine Funktion, wie einen Doppelklick oder die Bewegung eines Analog-Sticks.

Xbox Adaptive Controller

Der “Xbox Adaptive Controller” wurde im Jahre 2018 von Microsoft veröffentlicht. Bei diesem Produkt handelt es sich um einen Hub für Hilfsmittel, mit denen Gaming barrierearm gestaltet werden kann. Dazu zählen die bereits beschriebenen Druckknöpfe, Micro Switches, Fußpedale oder Mund-Mäuse. Diese und weitere Hilfsgeräte können über 3,5mm Buchsen und USB-A-Ports auf der Rückseite des Controllers angeschlossen werden und steuern Tasten, Joysticks und Trigger-Eingänge. Zudem lässt sich mit Hilfe einer App die Tastenzuordnung auf die einzelnen Ports frei gestalten. Jedoch ist der Controller nur in Spielen der Xbox One-Produktfamilie und Windows 10 einsetzbar.

QuadStick

Der sogenannte “QuadStick” - Controller wurde von Fred Davison speziell für querschnittsgelähmte Personen entwickelt. Dieser wird vom Nutzer mit dem Mund bedient. Der “QuadStick” besteht aus einem Joystick, vier Pust- und Schluck-Sensoren, einem Sensor für die Lippen-Position sowie einem Umlegeschalter. Verbunden sind diese Sensoren mit einem 32 Bit ARM-Prozessor, der die Eingaben in USB- und Bluetooth-Signale umwandelt. Mithilfe von passenden Adaptern können somit sämtliche Konsolen und Android Geräte bedient werden.

Umsetzung in Computerspielen

Ein Großteil der Videospiele ermöglicht es dem Spieler, in den Einstellungen das Spiel und dessen Steuerung zu konfigurieren, beispielsweise durch die Aktivierung von Untertiteln in Zwischensequenzen oder der beliebigen Tastenbelegung des Controllers. In wenigen vereinzelten Titeln wird darüber hinaus eine Kombination von Strategien verwendet, um das Spiel für motorisch Eingeschränkte barrierefreier zu gestalten:

1. Reduzierung: Ein Teil der ursprünglichen Interaktion mit einem Computerspiel, in Form von mechanischen Eingaben, wird reduziert oder gar vollständig entfernt.

2. Automatisierung: Teile der Spielmechanik werden automatisch ausgeführt. Denkbar wäre beispielsweise das automatische Abfeuern einer Waffe in „First-Person-Shootern“.

3. Erkennen von Spielsituationen: Je nach Zustand des Spieles ändert sich die Aktion, die durch eine Tasteneingabe ausgeführt wird. Wenn der Spielcharakter beispielsweise vor einer Türe steht öffnet ein Mausklick diese. Steht der Spielcharakter hingegen hinter einem Gegner überwältigt er ihn mittels eines Mausklicks. Eine Tasteneingabe löst in diesem Fall also zwei verschiedene Aktionen innerhalb des Spielgeschehnisses aus. Im Folgenden werden einige Spiele vorgestellt, welche sich die eben beschriebenen Taktiken zu Nutze machen.

Pädagogische Spiele

Insbesondere Spiele aus dem sonderpädagogischen Bereich sind von Anfang an barrierefrei entwickelt. Ein Beispiel hierfür ist Genesis, ein kostenloses Lern-, Therapie- und Spielsystem entwickelt an der Georg-Simon-Ohm Hochschule in Nürnberg. Vielmehr handelt es sich dabei um einen erweiterbaren Software-Baukasten zur Erstellung von Spielen und Übungen für hauptsächlich eingeschränkte Kinder und Jugendliche. Das Spiel besteht aus drei Hauptkomponenten. Das Kernprogramm “Osim“ dient als eine Art grafische Benutzeroberfläche. Hierüber startet der Spieler die einzelnen Programme, Tests sowie Übungen. Die Bedienung erfolgt über Eingabegeräte, die über wenige Tasten verfügen und kann je nach Behinderung maßgeschneidert angepasst werden. Des Weiteren ermöglichen es die Entwickler-Tools “OGen“ und “Oplus“ Betreuern, Pädagogen und Therapeuten, vorhandene Spiele anzupassen und zu erweitern sowie eigene Spiele zu erstellen.

One-Switch Spiele

Die bereits beschriebenen alternativen Eingabegeräte beschränken den motorisch behinderten Spieler im Hinblick auf eine limitierte Eingabemöglichkeit. Dieser Abschnitt konzentriert sich daher auf Spiele, die mit der geringsten Menge an Input gespielt werden können, sogenannte “One-Switch“-Spiele. Ein Beispiel für diese Art von Spielen ist “Gordon’s Trigger Finger“ aus dem Jahre 2008. Dabei handelt es sich um einen kostenlos erwerblichen Mod für das “Half-Life 2“ Death-Spiel. Der Spielcharakter verfolgt in dieser Modifikation automatisch Gegner und zielt auf diese. Ein Spieler bedient hierbei lediglich eine Taste, um die abgegeben Schüsse aus der Waffe genau zu timen.

Mainstream Spiele

The Last of Us Part ll“ wurde im Juni 2020 für die PlayStation 4 veröffentlicht. Mehr als 60 Einstellungsoptionen macht das Spiel für Menschen mit auditiver, visueller und motorischer Einschränkung zugänglicher, ein Einzelfall für ein barrierefreies Mainstream Spiel. Einige der Barrierefreiheit Funktionen kamen bereits in “Uncharted 4: A Thief’s End" erstmalig zum Einsatz. Im Folgenden wird jedoch ausschließlich auf die Optionen für motorisch behinderte Spieler*innen eingegangen.

Voreinstellungen

“The Last of Us Part ll“ bringt empfohlene Einstellungen für ein barrierefreies Spielerlebnis mit sich, welche bereits vorkonfiguriert sind. Jede einzelne Option der Voreinstellungen lässt sich noch weiter verändern und personalisieren. Einige dieser Optionen werden nun näher beschrieben.

Überquerungshilfe

Um die Anzahl von Tasteneingaben zu verringern, ist es möglich, das Überwinden von Vorsprüngen, engen Passagen sowie das Klettern des Spielercharakters automatisieren zu lassen. Der Spieler muss hierbei lediglich einen einzelnen Tastendruck ausführen.

Alternative Steuerung

Die Steuerung innerhalb des Spieles ist vollständig personalisierbar. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Steuerungsbefehl auf eine andere Taste gelegt werden kann. Zudem ist es möglich, die Bewegungssteuerung sowie die Touchpad Funktion des “DualShock 4“ Controllers zu deaktivieren. Da es vielen motorisch behinderten Gamern schwerfällt, einzelne Tasten schnell und mehrmals zu drücken, lässt sich einstellen, dass Tasten gedrückt gehalten werden. Des Weiteren lässt sich die Position, in der der Controller gehalten wird, verändern sowie die automatische Anvisierung des nächsten Zieles und von Gegnern aktivieren.

Kampf-Barrierefreiheit

Nahkämpfe und Feuergefechte verlangen dem Spieler eine schnelle Reaktionsfähigkeit sowie viele Tasteneingaben ab. Für schwer motorisch Eingeschränkte sind solche Szenen größtenteils unüberwindbare Hürden. Damit jeder Spieler erfolgreich Kämpfe im Spiel bestreiten kann, gibt es auch hierfür einige Optionen. Hierzu zählt beispielsweise ein Zeitlupenmodus beim Zielen mit der Waffe oder aber die Möglichkeit, in Bauchlage für Gegner unsichtbar zu bleiben.

Gesellschaftliche Notwendigkeit

Für behinderte Menschen ist eine Teilnahme am öffentlichen sowie kulturellen Leben aus den verschiedensten Gründen nicht in vollem Umfang möglich. Somit ist für solche Menschen der Zugang zur Games Kultur enorm wichtig. Da Gaming auch zu Hause, in einer meist gewohnten und auf die Bedürfnisse angepassten Umgebung möglich ist, wird auf diese Weise auch für eingeschränkte Personen die (Pop-)Kultur erlebbar.

Zudem können Videospiele eine Ablenkung vom Alltag sein und beispielsweise Schmerzpatienten eine kurzfristige Erleichterung und Ablenkung verschaffen. Diese Ablenkung bzw. Anziehungskraft, die von Videospielen ausgeht, ist der Möglichkeit geschuldet, Abenteuer in fremden Welten zu erleben. Zudem werden Dinge wie Laufen auch für Rollstuhlfahrer in Spielen ermöglicht. Grenzen existieren dabei nicht. Des Weiteren erleichtern Online-Computerspiele die soziale Interaktion, da Umwelt Barrieren hier nicht existent sind und aufgrund der allgemeinen Anonymität Berührungsängste zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen abgebaut werden können.

Jedoch wird die Notwendigkeit von barrierefreien Videospielen in der Gaming-Community heiß diskutiert. Barrierefreiheits Optionen werden von vielen gesunden Gamern als ein Eingriff in das Wesen eines Spiels angesehen, welche den Spielspaß gefährden. Kommentare auf Social Media Plattformen wie: „Wenn du das Spiel ohne Hilfestellung nicht spielen kannst, dann ist es eben nichts für dich.“ verstärken die Exklusion von Behinderten aus der Gaming-Branche enorm.

Jedoch beginnen Publisher und Konsolenhersteller seit einigen Jahren damit, immer mehr Hilfestellungen für eingeschränkte Gamer anzubieten. Der oben angeführte “Xbox Adaptive Controller” von Microsoft geht hier beispielhaft voran. Der Fakt, dass diese in ganz normalen Shops des Einzelhandels angeboten werden, führt wiederum dazu, dass Spielende ohne Behinderung diese Geräte sehen und somit behinderte Spielende als Teil der Gaming-Community wahrnehmen und akzeptieren.

Neben einer immer weiter voranschreitenden Inklusion von behinderten Nutzern in die Gaming-Community, lässt die Repräsentation von Behinderten in den Spielen selbst noch zu wünschen übrig. Meist wird nur das Bild des “depressiven” Rollstuhlfahrers vermittelt. Diversität von Behinderung wird dadurch aber nicht dargestellt, lediglich bestehende Berührungsängste verstärkt.

Es ist also an der Zeit, Menschen mit Behinderung in die Entwicklerteams einzubinden, um beispielsweise gemeinsam allgemeingültige Richtlinien zur Erstellung barrierefreier Videospiele zu verfassen. Des Weiteren ist eine sensible und gute Repräsentation von behinderten Personen in den Spielen selbst sicherzustellen. Zudem sollten Kampagnen wie “#teamdiversity“ des deutschen Branchenverbands “game” vermehrt eingesetzt werden, um sich für eine qualitativ ausgewogene, unvoreingenommene und stereotyp freie Darstellung aller Menschen in der Games Branche einzusetzen.

Diskussion

Die Aufstellung einer umfassenden Definition von “Behinderung“ gestaltet sich in der Praxis als recht schwierig. Wo liegt die Grenze zwischen behindert und nicht-behindert? Die in diesem Artikel verwendete Definition ist von der internationalen Staatengemeinschaft weitestgehend anerkannt. Jedoch bildet diese nicht die vollständige Diversität von Behinderungen ab. Dies verhält sich mit diesem Artikel nicht anders. Neben den beschriebenen vier Arten von Behinderungen existieren noch unzählige weitere. Dazu zählen beispielsweise auch sogenannte mehrfache Behinderungen. Somit ist auch die Beschreibung der Auswirkung der vier beschriebenen Typen von Einschränkungen recht oberflächlich gehalten und nicht jeder der Betroffenen begegnet den gleichen Hürden beim Spielen von Games.

Wie bereits weiter oben erwähnt, wurde der Fokus dieses Artikels auf das barrierefreie Game Design von Videospielen im Hinblick auf Menschen mit motorischen Behinderungen gelegt. Die barrierearme Gestaltung für andere Formen der Behinderung wurde nicht behandelt, stellt aber im Allgemeinen eine ebenso komplexe Herausforderung dar und sollte im Zuge der umfassende Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gaming-Community betrachtet werden.

Die beschriebenen Hilfsmittel, um motorisch behinderten Nutzern Videospiele zugänglicher zu machen, stellen natürlich kein Allheilmittel dar. Zum einen sind viele dieser Technologien, wie beispielsweise Augensteuerungssysteme oder Mund-Mäuse, sehr teuer und zum anderen sind viele der Systeme veraltet und eignen sich tatsächlich nur zur Bedienung von Betriebssystemen wie Windows. Es dürfte natürlich auch klar sein, dass beispielsweise eine Person, die schwer an ALS erkannt ist und ausschließlich die Augen bewegen kann, wahrscheinlich nie Mainstream Spiele spielen wird und kann. Die vorgestellten Hilfsmittel können meist nur eine einzige Eingabe ersetzen. Eine einzelne Augenbewegung kann nicht die Funktionsvielfalt eines Controllers darstellen.

Aufgrund der beschriebenen Grenzen bezüglich dieses Artikels stellt dieser auch kein verbindliches sowie allgemein gültiges „Rezept“ für das barrierearme Design von Videospielen dar. Dies ist unter anderem auch einer teilweise dünnen Quellenlage auf diesem Gebiet geschuldet. Es finden sich vor allem wenig wissenschaftliche Quellen zu diesem Thema. Ein Großteil der verwendeten Literatur entspringt gemeinnützigen Stiftungen und Organisationen wie beispielsweise “The AbleGaming Charity“ oder der “Aktion Mensch“. Auch die beschriebenen Hilfsmittel werden nicht in wissenschaftlichen Arbeiten vorgestellt, sondern in Foren von den Betroffenen selbst und stellen meist Eigenbauten oder individuelle Lösungen dar. Des Weiteren existieren kaum fundierte Zahlen und Statistiken über Gamer mit körperlicher oder geistiger Einschränkung. Es handelt sich in der Regel nur um grobe Schätzung, vor allem aus dem englischsprachigen Raum. Die dünne Quellenlage ist zum einen dem Fakt geschuldet, dass es sich bei Videospielen im Vergleich zum Film um ein noch junges Medium handelt, zum anderen der noch weit verbreiteten gesellschaftlichen Skepsis gegenüber Gaming, speziell in Deutschland. Zudem ist eine Bewegung für barrierearme Spiele eigentlich nur in den USA aktiv.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass im Hinblick auf barrierearme Videospiele mehr Möglichkeiten vorhanden sind, als viele denken. Mit Hilfe von Controllern, die die Hirnströme messen, wäre es beispielsweise möglich, das Medium Computerspiel für sämtliche motorisch eingeschränkte Spieler*innen zugänglich zu machen. Aufwendige Hilfsmittel-Umbauten würden der Vergangenheit angehören. Dies wäre in Zukunft denkbar und auch erstrebenswert, hierbei bedarf es aber noch weiterer Grundlagenforschung und technischem Fortschritt.

Fragen & Wünsche

Wir hoffen, dass Dir unser Artikel gefällt und möchten Dich dazu einladen, uns Deine Gedanken und Fragen zu dem Thema mitzuteilen. Wenn Du Fragen, Kommentare oder Feedback zum Inhalt dieses Artikels hast, zögere bitte nicht, uns auch diese im Kommentarbereich anzuvertrauen. Wir freuen uns immer, von unseren Lesern zu hören und uns an sinnvollen Diskussionen über die Spieleentwicklung zu beteiligen.

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